Liebe Leserinnen und Leser,

wie ist das denn nun mit der Attraktivität Europas und Deutschlands für Talente aus aller Welt? 
 
Ein paar Nachrichten aus den vergangenen Tagen. Erstens: Die Bundesrepublik ist beim "Global Innovation Index" der weltweit innovativsten Länder, erstellt von der UNO-Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO), aus den Top Ten gekippt. Platz 10 jetzt: China. Man kann sich lange über die Methodik unterhalten, ob WIPO das Richtige misst und wertet – oder einfach festhalten, dass das deutsche Image als Innovationsnation international ziemlich lädiert ist. Währenddessen landen vier EU-Staaten (Schweden, Finnland, Niederlande, Dänemark) unter den ersten zehn – plus Großbritannien und die Schweiz (letztere sogar auf Platz 1). Was wiederum bedeutet, dass wir es mit einem deutschen, nicht mit einem europäischen Problem zu tun haben.
 
Apropos Europa: Die neueste Ausschreibung der Marie-Skłodowska-Curie-Stipendien für Postdocs hat satte 65 Prozent mehr Bewerbungen produziert, in Zahlen: 17.058 Projektanträge im Vergleich zu 10.360 im Vorjahr. Ein Erfolg der "Choose Europe for Science"-Kampagne? Ein Spiegelbild der politischen Situation vor allem in den USA, deren Rolle als Wissenschaftsmekka weiter leidet? Ein Zeichen, dass an anderen Förderprogrammen auch in Europa gespart wird? Nur 9,7 Prozent der Anträge können überhaupt bewilligt werden. Und auch hier ein innereuropäischer Realitätscheck: Nur ein Fünftel der Bewerbungen kommt aus dem Vereinigten Königreich – und nicht einmal acht Prozent aus Deutschland.
 
Die dritte Nachricht: Baden-Württembergs Wissenschaftsministerin Petra Olschowski kündigte in der Stuttgarter Zeitung ein Programm für internationale Wissenschaftler an, "das wirklich aufhorchen lassen wird". Über Details könne sie noch nicht reden, sagte die Grünenpolitikerin, "aber das wird richtig gut." Gleichzeitig, berichtete sie, seien ihr auf der GAIN-Tagung für Postdocs in Boston viele Fragen zum Rechtsruck in Deutschland gestellt worden. Ob deutsche Städte für Ausländer sicher seien. Baden-Württemberg sei da vielleicht in einer besseren Situation als Andere, so Olschowski, "aber das Erstarken der AfD ist in diesem Punkt schon ein Problem". 
 
Kurzum: Für Deutschland, das gern Magnet für internationale Talente sein will, steht viel auf dem Spiel. Die politische Lage in den USA könnte tatsächlich dabei mithelfen, sich aus der Innovationsschwäche zu hebeln – wenn die deutsche Politik es schafft, das Land als glaubwürdige Alternative zu präsentieren. 
 
Das geht nur durch Klotzen bei den entsprechenden Programmen (Stichwort: “1000-Köpfe-Plus“ des BMFTR und dessen bislang eher bescheidene Finanzierung) – und ganz sicher nicht durch entgegengesetzte Signale, sei es der erstaunlich geringe Anteil für Bildung und Forschung am Sondervermögen. Oder die ganz und gar nicht geringe Beteiligung von Hochschulen und Wissenschaft in vielen Bundesländern an der laufenden Haushaltssanierung.

Aber noch viel wichtiger: Die demokratischen Parteien müssen aufhören, sich der Agenda der AfD zu beugen. Heute bei der Generaldebatte des Bundestages bietet sich dafür eine Gelegenheit. Wer Einwanderung vor allem als Problem thematisiert, wird vielleicht weniger Geflüchtete anziehen. Aber noch viel sicherer weniger kluge Köpfe aus aller Welt.

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre dieses Newsletters.

Ihr Jan-Martin Wiarda

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